Café Bubbles: Stein im Brett

von Roberta Fischli

Seit zwei Wochen spielen wir Backgammon. Obsessiv. Dabei können wir mit Brettspielen absolut nichts anfangen – es dauert so lange, bis man am Ziel ist. Ein befreundeter Designer erzählte uns, er habe für Pelikamo ein Backgammon-Set entworfen, ohne das Spiel selber je gespielt oder die Regeln gelesen zu haben. Das fanden wir derart fahrlässig, dass wir ihn zu einer Partie überredeten.

Backgammon gehört zu den ältesten Brettspielen der Welt; seine Geburtsstunde fällt mit der Erfindung des Rads zusammen. Und es hält sich wacker in den elitären Kreisen: Playboy Hugh Hefner liebte es so sehr wie seine Bunnies, die Zacken und runden Steine tauchen in Slim Aarons‘ Jetset-Fotos auf, Friss-oder-stirb Kapitalisten gehören zu den Grossmeistern. Der beste Spieler Amerikas ist Ökonom bei Goldman Sachs. Die beste Spielerin der Schweiz ist Tierpsychologin, heisst Denise Kaiser und führt das Café Bubbles beim Stauffacher.

In ihrem Lokal trifft sich die lokale Fangemeinde seit Jahren zum gemeinsamen Zocken. Es ist ein Mittwochabend, als wir durch die Fensterfront schielen und beinahe wieder umkehren: Die Gäste sind ausnahmslos farblose Männer um die fünfzig, die mit krummem Rücken über den Tischen sitzen und wortlos runde Steine über die Spielflächen schieben. Doch dann steht plötzlich die Wirtin vor uns und stellt sich als Denise Kaiser vor, «Kaiser, wie Königin».

Kaiser erkärt uns bei einem Ingwer-Tee das Spiel, die Regeln haben wir in den Grundzügen rasch begriffen: Gewonnen hat, wer keine Steine mehr auf dem Feld hat. Im Terrain der Profis wird es exponentiell komplexer, aber das ist uns egal. Wir sind erstmal darauf bedacht, die Steine korrekt aufzustellen und es ins Ziel zu schaffen. Bereits in der dritten Runde mischen sich taktische Überlegungen in unsere Züge, mit jedem gefallenen Würfel werden wir geschickter – aber nie geschickt genug, um den Zufall vollständig vom Feld zu verbannen. Nach zwei Stunden haften unsere Blicke auf dem Brett, als hätten wir einen fünfstelligen Wetteinsatz zu verlieren. Als wir um zehn Uhr vom Tisch aufstehen, ist der Nacken steif, die Augen tränen, unser Gehirn so schlaff wie ein ausgewrungener Putzlappen.

Seit diesem Abend ist nichts mehr wie zuvor. Wir zücken das Brett am Mittagstisch, am Arbeitsplatz, im Zugabteil. Backgammon ist wie Schach mit Zufall; es ist die Mischung aus Taktik und Glück, die in kurzer Zeit hochgradig abhängig macht. Wer uns in einer Pause über den Weg läuft, überreden wir zu einer Partie. Fast jeder will eine zweite.

CAFÉ BUBBLES, Werdstrasse 54, 8004 Zürich

Mo bis So 7 – 18; Mi 7– 23

Gern gelesen? Meld dich an!