Vorlesung, Seminar, Methodenkurs: Erfolgreich durch den Veranstaltungs-Dschungel
von Roberta Fischli
Das Wichtigste zuerst: Schau, wie die Lehrveranstaltung aufgebaut ist und wie sie abgefragt wird. Es bringt nichts, zwei Bücher von Immanuel Kant zu lesen, wenn du an der Multiple-Choice-Prüfung nur seine Grundthese kennen musst.
Die Vorlesung
Nirgends wird so viel geredet, und nirgends ist das Interaktionsniveau so tief. Im Unterschied zum Seminar geht es hier um «trockene» Wissensvermittlung. Der Dozent bestreitet die Veranstaltung praktisch allein – genau deshalb ist seine Perspektive auf die Thematik wichtig. Versuche von Anfang an, seine Ansichten herauszuschälen und die Schwerpunkte beim Lernen ähnlich zu gewichten.
Ist der Leistungsnachweis eine Prüfung mit Kurzantworten bzw. Multiple-Choice-Fragen bringt es nichts, beim Lernen eigene Schwerpunkte zu setzen. Findet die Leistungsüberprüfung in Form eines Essays statt, ist es wichtig, sich tiefgründig mit der Materie zu befassen. Aber auch hier ist es sinnvoll, sich von Anfang an die Frage zu stellen, was der Dozent genau lesen will. Besonders beim dogmatischen Typ kann eine alternative Perspektive zum Hindernis werden – bei ihm fährst du am besten, wenn du seine Haltung übernimmst. Natürlich gibt es auch den interessierten Dozenten, der eigene Argumente verlangt. Bei ihm reicht es nicht, die Vorlesungsfolien auswendig zu lernen. Dafür ist sein Unterricht erfahrungsgemäss um einiges spannender.
Vorarbeit leisten lohnt sich!
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Besorg dir die Vorlesungsmaterialien früh genug und verschaff dir schon vor der Veranstaltung einen Überblick.
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Identifiziere mögliche Unklarheiten. So erkennst du schwierige Stellen schon vorab (und kannst danach überprüfen, ob du wirklich alles verstanden hast).
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Recherchiere den Kontext. Das hilft beim Einbetten der Vorlesung für die Prüfungsvorbereitung.
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Überfliege die Notizen der letzten Vorlesung, so behältst du den Überblick.
Während der Vorlesung:
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Banal, aber wichtig: Pass auf! Unsorgfältige Notizen bringen zusätzlichen Arbeitsaufwand vor der Prüfung, weil du alles nachschlagen musst.
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Sei engagiert. Zeichnen, anstreichen, ergänzen. Leuchtstift und Randnotizen helfen beim Repetieren.
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Knapp, aber präzise. Konzentriere dich beim Mitschreiben auf Abkürzungen und Schlagwörter.
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Nerven behalten. Vieles klärt sich im Verlauf der Vorlesung. Sagt der Dozent, er komme darauf zurück, abwarten.
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Hör genau hin. Konzentriere dich darauf, was der Dozent sagt. Verwechsle relativierende Aussagen nicht mit Fakten.
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Schwerpunkte kennzeichnen. Verweilt der Dozent länger bei einem Thema und erwähnt Beispiele? Unbedingt notieren! Dieser Stoff ist mit hoher Wahrscheinlichkeit prüfungsrelevant.
Nach der Vorlesung:
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Setze Zwischentitel: Damit du beim Lernen sofort weisst, worum es geht.
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Beispiele, Beispiele, Beispiele! Überlege dir zu jedem Schwerpunkt eine Verbildlichung. Das hilft dir beim Einordnen des Stoffs und kann für die Prüfung hilfreich sein.
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Reality-Check: Fasse das Gelernte in drei Sätzen zusammen. Zusammen mit den Notizen ist das schon die halbe Miete für die Lernvorbereitung.
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Auch Verweise auf ältere Vorlesungen können hilfreich sein, besonders beim Repetieren am Ende des Semesters.
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Gewichte deine Notizen mit Farben und Unterstreichungen. Das hilft, den Schwerpunkt beim Lernen zu setzen.
Vor der Prüfung:
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Diskutiere! Sich gemeinsam über das Gelernte auszutauschen, hat nur Vorteile. Du gibst den Stoff in eigenen Worten wieder (und merkst, ob du wirklich aufgepasst hast).
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Vergleiche! So siehst du, ob ihr euch das Gleiche notiert habt.
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Verknüpfe! Besonders bei komplexen Zusammenhängen lohnt es sich, den Stoff in einem Mindmap zu visualisieren und Themenblöcke zu verknüpfen.
Die Überblicksvorlesung
Als Einführung findet sie meist am Anfang des Studiums statt – in ihrer Form kann sie bis in die Vertiefungsstufe bestehen. Die Überblicksvorlesung soll, wie ihr Name schon sagt, einen Einblick gewähren in einen Themen- bzw. Zeitbereich und die wichtigsten Tendenzen erklären und einordnen. Konkretes Beispiel: In der politischen Philosophie finden sowohl auf Orientierungs- wie auf Vertiefungsstufe Übersichtsvorlesungen zu den wichtigsten Denkern statt.
Hier gilt: Verliere dich nicht in Details. Von dir wird erwartet, dass du die grösseren Zusammenhänge verstehst und die einzelnen Themenblöcke einordnen kannst. Wird die Vorlesung durch ausführliche Skripte begleitet, ist es auch nicht schlimm, wenn du mal eine Stunde verpasst. Vor der Prüfung konzentrierst du dich auf die wichtigen Fragen. Was ist die Bedeutung für das Fach, der zeitliche (oder politische) Hintergrund, die wichtigsten Eigenschaften, die möglichen Probleme? Bei Verständnisfragen können Überblicksbücher Abhilfe schaffen. Das ist übrigens auch die einzige Lehrveranstaltung, bei der Wikipedia kurz vor der Prüfung doch noch helfen kann.
Das Seminar
Seminare sind durch kleinere Besucherzahlen gekennzeichnet als die herkömmliche Vorlesung. Hier liegt der Fokus auf Interaktion. Die Leistungsnachweise bestehen entweder aus einem Referat oder einer schriftlichen Arbeit, manchmal auch eine Kombination der beiden. Das Seminar ist ein intimerer Rahmen, wer nicht mitarbeitet, fällt schneller auf als in der Vorlesung.
Hier gilt: Besonders im Hinblick auf spätere Empfehlungsschreiben vom Professor sind diese Unterrichtsstunden besonders wertvoll. Um nicht durch peinliches Schweigen aufzufallen, sollten auch die Faulen mindestens die Einführung und den letzten Abschnitt der Pflichtlektüre lesen. Am Anfang von wissenschaftlichen Texten wird meistens die Fragestellung aufgeworfen, am Schluss findest du die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst. Wer nicht genau gelesen hat, hält sich am Besten zurück. Nichts ist offensichtlicher als eine Wortmeldung, die aus der völlig falschen Richtung kommt. Ausserdem wird sich der Professor bei der Beantwortung der Frage auf den Text beziehen – wenn du nicht weisst, wovon er spricht, wird es peinlich. Wenn du Zeit hast, informierst du dich über den Autor des Textes. Das dauert nicht lange und ist wertvoll für die Diskussion in der Stunde.
Der Methodenkurs
(Fast) alle müssen da durch. Bist du nicht gerade mathematikbegeistert und die Pflichtvorlesung macht dir zu schaffen, denk daran: Du bist nicht allein. Hier gilt: Nutze alle Möglichkeiten, die zur Verfügung stehen, um dir die Arbeit zu erleichtern. Konkret: Bilde Lerngruppen. Übt die Aufgaben zusammen, fragt euch gegenseitig ab, erklärt Aufgaben, die andere nicht verstehen. Wenn man anderen etwas erklärt, profitiert auch das eigene Hirn.
Denn, und das ist die gute Nachricht: Die Methodenvorlesung ist zwar meist obligatorisch, aber auch für die Dozenten ein notwendiges Übel. Man will euch ja nicht wegen einer missratenen Gleichung aus dem Studium hauen. Deshalb sind die Prüfungen auch meist nach einem festen Muster aufgebaut. Wenn du dir noch Zusammenfassungen vom Studentenladen oder älteren Semestern organisierst, kann eigentlich nichts mehr schiefgehen.