Yumna Al-Arashi
von Roberta Fischli
US-Fotografin Yumna Al-Arashi beschäftigt sich mit den Klischees, die der Westen von Araberinnen hat. Sie wundert sich, dass wir verschleierte Frauen für schwach halten – halbnackte aber nicht.
Wir treffen Yumna an einem sonnigen Vormittag im Zürcher Rieterpark. Die Fotografin kommt eben aus New York, wo ihr neustes Projekt Vernissage feierte: Für «Shedding Skin» hat sie muslimische Frauen in einem Hammam in Beirut fotografiert – selbst die «Vogue» hat darüber berichtet. In wenigen Stunden fliegt sie zurück nach London, wo sie mit ihrem Freund lebt, einem Schweizer Regisseur.
Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?
Ich hab schon früh dauernd Fotos von meinen Freunden gemacht. Das war zwar mehr ein Ausprobieren und Rumblödeln, aber nach dem College sagte ich mir: Warum die Fotografie nicht nutzen, um Geld zu verdienen und jene Dinge zu thematisieren, die mich beschäftigen?
Das wären?
Ich möchte mich und meine Herkunft in einem anderen Licht zeigen, als es die Medien tun. Weil ich arabischstämmige Eltern habe und auch noch Muslimin bin, werde ich immer wieder von Fremden angesprochen, die das Gefühl haben, sie wissen, wie ich ticke oder wie mein Leben aussieht.

In dieser Serie porträtierte Yumna al-Arashi Fremdarbeiter in den Arabischen Emiraten: «I Am Not a Machine» von 2013. Foto: Yumna al-Arashi
Und was sagen die?
«Du musst total unterdrückt sein» oder «bestimmt haben deine Eltern ein Problem mit deiner Arbeit». Als könnte ich nicht für mich einstehen und müsste mich vor irgendwas oder irgendwem verstecken – dabei muss ich das überhaupt nicht!
Sie sind in Washington D. C. aufgewachsen und gingen noch zur Schule, als die Anschläge vom 11. September 2001 stattfanden. Wie hat Sie das geprägt?
Washington war immer ein sehr multikultureller Ort. Nach den Anschlägen aber hatte plötzlich jeder ein Bild davon, wer Muslime sind und wozu sie fähig sind. Das war für mich damals schwierig zu verstehen – ich war ja noch ein Kind.
Ist das auch ein Grund, weshalb Sie sich in Ihrer Arbeit oft mit Ihrer Herkunft und dem Islam beschäftigen?
Als Künstlerin reagiert man auf seine Umgebung, und ich werde ständig mit meiner Herkunft und meiner Religion konfrontiert. Dabei spielts keine Rolle, ob ich die Religion tatsächlich praktiziere oder ob ich als Muslimin wahrgenommen werden möchte.
In der Serie «Northern Yemen» posieren Frauen im Hidschab als Superheldinnen. Verherrlichen Sie damit nicht ein Unterdrückungssymbol?
Mir geht es mit diesen Bildern um etwas ganz anderes. Klar bin ich auch gegen Ganzkörperverschleierung, weil die Frauen damit eines Stückes ihres Körpers beraubt werden. Aber zu glauben, dass jede verschleierte Frau schwach ist und keinen eigenen Willen hat, ist genauso unterdrückend! Ausserdem finde ich die Hypersexualisierung der Frau bei uns im Westen nicht weniger problematisch.
Wie meinen Sie das?
Wenn man in den USA aufwächst, vermitteln einem Medien und Werbung ständig das Gefühl, dass man nur dann frei und selbstbestimmt ist, wenn man kein Problem damit hat, seinen Körper zu zeigen. Ich habe das lange auch geglaubt.
Und was hat Sie dazu gebracht, Ihre Meinung zu ändern?
Als ich älter wurde, bin ich immer öfters in den Nahen Osten gereist. Dort traf ich auf Frauen, die sich verschleierten, und sich genau deshalb für selbstbestimmt hielten. Das hat mich stutzig gemacht.
Unabhängig dank Verschleierung?
Genau. Beides sind Extreme, mit denen ich mich nicht identifizieren kann. Aber in beiden Fällen geschieht eigentlich das Gleiche: Wir fügen uns einem Bild, das die Gesellschaft uns vorhält.
Was wäre denn die richtige Lösung?
Es geht doch darum, dass wir Frauen selber bestimmen können, wie wir sein wollen, wie wir uns kleiden, ob wir unsere Sexualität und unsere Körper zeigen wollen oder eben nicht.
Wie denken Sie über Frauen wie Schauspielerin und Model Emily Ratajkowski, die auf Instagram aufreizend und leicht bekleidet posieren und sich gleichzeitig Feministin nennen?
Den kommerziellen Feminismus finde ich ganz schlimm. Diese Frauen geben uns das Gefühl, dass Feminismus dieses hypersexuelle Ding sein muss – dabei hat das absolut nichts damit zu tun.
Sie inszenieren sich und andere Frauen aber oft auch nackt. Ist das kein Widerspruch?
Nein, warum auch? Nur, weil ich finde, dass Feminismus nichts mit Sexiness zu tun hat, heisst das noch lange nicht, dass ich deswegen ein Problem mit erotischen Bildern hätte. Ich wollte früher sogar mal mein Geld mit erotischer Fotografie verdienen.

Wider das Klischee: Araberinnen im Hammam. Aus Yumnas neuster Werkgruppe «Shedding Skin», 2017. Foto: Yumna al-Arashi
Weshalb ist nichts daraus geworden?
Wenn ein Mann nackte Frauen fotografiert, gilt das als ästhetisch. Wenn eine Frau das tut, ist es rasch vulgär oder billig. Ist das nicht paradox? Wenn es nach mir ginge, würde der gesamte «Playboy» von Frauen fotografiert. So dass wir bestimmen können, was sexy ist.
Über Sie wird international berichtet. Werden Sie oft angefeindet?
Oh ja, ständig. Die meiste Kritik kommt übrigens von Weissen, die ich mit meinen Bildern in ihrem Weltbild zu verunsichern scheine.
Wie gehen Sie damit um?
Früher hat mich das sehr verletzt. Ich habe jeweils versucht, online mit diesen Leuten zu diskutieren, aber das hat keinen Zweck. Ohnehin fallen die positiven Reaktionen zum Glück viel stärker aus. Ich erhalte viele Komplimente von Frauen, die sich mit meinen Bildern identifizieren und denen ich damit eine Stimme gebe. Das ist doch viel wichtiger.